Die cross-industrielle Zusammenarbeit, also die branchenübergreifende Kooperation mit anderen Unternehmen und lokalen Akteuren, wird im Bereich der Großindustrie bereits erfolgreich umgesetzt. Die Netzwerkpartner sind dadurch in der Lage, eine deutliche Reduktion ihrer klimaschädlichen Emissionen zu erreichen. Die dahinterstehende Systematik und Funktionsweise ist allerdings auch auf kleineren Ebenen anwendbar. Cross-industrielle Netzwerke können ebenso in Gewerbegebieten, ländlichen Regionen oder Kommunen zu einer Reduktion von CO2-Emissionen, zum schonenden Umgang mit Rohstoffquellen und zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle beitragen.
Beim Aufbau dezentraler, cross-industrieller Systeme nehmen bestehende Biogasanlagen eine vielversprechende Rolle ein. Betreiber von Biogasanlagen sind in steigendem Maße gefordert, neue Geschäftsmodelle und wirtschaftliche Betriebsstrategien zu entwickeln:
Das Projekt auf einen Blick
Kurztitel: DIANE
Projektname: Digitalisierung als Motor für cross-industrielle Netzwerke
Projektpartner: Fraunhofer UMSICHT, Loick Bioenergie GmbH und Bioenergie Hünxe GmbH
Projektstart: 01.07.2021
Projektlaufzeit: 3 Jahre
Förderrichtlinie: progres.nrw-Innovation
Fördersumme: 1,67 Mio. Euro
Neben einem erheblichen Preisanstieg auf dem Rohstoff- und Flächenmarkt werden ab 2020 zunehmend Biogasanlagen das Ende ihrer 20-jährigen Förderphase durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erreichen. Technologische Konzepte zur Erzeugung neuer Produkte und eine Erweiterung der Bandbreite der Substratzufuhr können wichtige Ansatzpunkte sein, diese Entwicklungen abzufedern.
Ein cross-industrielles Netzwerk implementieren
Ein cross-industrielles Netzwerk implementieren
Das Projekt DIANE arbeitet an der Entwicklung und Validierung eines übertragbaren Konzeptes zur Implementierung eines cross-industriellen Netzwerks in einem Gewerbegebiet rund um die Biogasanlage in Hünxe. Innerhalb des betrachteten Gewerbegebiets sind Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen angesiedelt: Neben einem Logistikbetrieb befinden sich dort Recycling-, Beton- und kleinere Chemieunternehmen. Im Rahmen des Projekts wird der Zusammenschluss der verschiedenen Akteure zu einem Gewerbe- und Industrieverbund geprüft, um die bisher voneinander unabhängigen Geschäfts- und Produktionsprozesse zusammenzuführen, Synergiepotenziale auszuloten und so ein neues Gesamtoptimum zu generieren. Ziel ist es, die bestehende Biogasanlage mit einer elektrischen Leistung von 2,6 Megawatt in die Stoff- und Energieversorgung des Gewerbegebiets zu integrieren und deren Interaktion mit den umliegenden Betrieben voranzutreiben.
Hierfür werden zunächst
Bestehende Biogasanlage zu einem Verbund weiterentwickeln
Hierfür werden zunächst der Bedarf umliegender Unternehmen erfasst sowie Prozesskonzepte und Szenarien identifiziert, um die bestehende Biogasanlage zu einem komplexen cross-industriellen Verbund weiterzuentwickeln.
Im Rahmen der Konzeptionierung werden dann die technische Machbarkeit und Ausgestaltung eines derart komplexen Anlagenverbunds überprüft. Im Fokus stehen dabei unter anderem Möglichkeiten zur Integration von PV- und Windkraftanlagen, um beispielsweise Wasserstoff über Elektrolyse zu erzeugen, der zur Veredelung des Biogases genutzt werden kann. Über erneuerbare Energien und die chemische gespeicherte Energie könnte die erneuerbare Stromversorgung des Verbundes gewährleisten werden. Eine weitere zu untersuchende Option ist die Erzeugung von Synthetischen Produkten aus abgetrenntem CO2 mithilfe von regenerativ erzeugtem Wasserstoff. In der Folge wäre die Einbindung weiterer Sektoren und Akteure, wie beispielsweise Logistikunternehmen, in das cross-industrielle Konzept möglich. Die Veredelung des erzeugten Biogases zu höherwertigen Kohlenwasserstoffverbindungen oder nachhaltigem Biomethan ermöglicht zudem die Belieferung der umliegenden Chemie- und Kraftstoffindustrie mit wichtigen Rohstoffen. Der Biogasanlagenbetreiber kann damit neue Geschäftsmodelle für sich erschließen, wodurch ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb der Bestandsanlage möglich wird.
Weiterhin werden im Rahmen des Projekts Möglichkeiten zur Stabilisierung des Stromnetzes über eine intelligente Steuerung und Vernetzung des Gesamtverbundes geprüft. Mit Hilfe nachgeschalteter Blockheizkraftwerke (BHKW) kann die Biogasanlage sowohl Strom als auch Wärme für die Nutzung in regionalen Wertschöpfungsketten flexibel bereitstellen. Verbunden mit Speicherkapazitäten für Gas und Wärme können die flexibel steuerbaren BHKW einen signifikanten Beitrag zum Ausgleich der schwankenden Stromeinspeisung von Wind- und Sonnenenergie leisten. Zudem könnte überschüssiger Strom in der Elektrolyseanlage zunächst in Wasserstoff oder Methan umgewandelt und in Tanks gespeichert werden, um bei Bedarf zunächst auf diese Kapazitäten zurückgreifen zu können.
Neben dem intelligenten Lastmanagement erforscht das Projektteam verschiedene biotechnologische Aspekte, wie etwa die Beschickung der Biogasanlage mit Reststoffen, die bisher nicht verwertet werden konnten. Diese Umstellungen der Substratzufuhr können einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung und der Abfallentsorgung leisten.
Für die energie- und ressourceneffiziente Steuerung des cross-industriellen Netzwerks werden innerhalb des Projekts komplexe Digitalisierungskonzepte entwickelt und auf ihre Praxistauglichkeit überprüft. Um die Gesamtheit der Energie- und Stoffströme möglichst bedarfsgerecht zu lenken, soll eine intelligente Vernetzung interessierter Stromerzeuger, Energiewandler, -speicher und -verbraucher innerhalb des Gewerbegebiets erfolgen. Die dabei erfassten Datenmengen werden mit Hilfe von Simulations-, Prognose- und Optimierungsalgorithmen zur digitalen Abbildung des Netzwerks („digitaler Zwilling“) genutzt und damit verwertbar gemacht. Das ermöglicht es den eingebundenen Unternehmen und Teilsystemen, zeitnah und agil auf schwankende Rahmenbedingungen zu reagieren. Beispielsweise können die Netzwerkpartner abhängig vom Strompreis oder Stromverbrauch den aktuell wirtschaftlichsten Prozess identifizieren und ihre Betriebsführung entsprechend anpassen. Neben der technischen Umsetzung werden diese Konzepte im Hinblick auf die Etablierung neuer cross-industrieller Geschäftsmodelle überprüft.
Ein wichtiger Aspekt der Projektarbeit ist es zudem, die Übertragbarkeit der Konzepte sicherzustellen. Hierfür werden ein Maßnahmenkatalog und ein Vorgehensmodell entwickelt, um die im Projekt erforschten Methoden auf andere Standorte anwenden zu können. Ziel ist es, einen Leitfaden für die Flexibilitätssteigerung sowie energetische und stoffliche Optimierung von Bestandsbiogasanlagen zu erarbeiten, der zur Überwachung und Steuerung komplexer cross-industrieller Verbünde genutzt werden kann. Nach dem erfolgreichen Projektstart soll die Erprobung, Validierung und Verwertung der umgesetzten Konzepte und Szenarien bis Ende 2024 abgeschlossen werden.
Förderpolitischer Rahmen: Spitzencluster Industrielle Innovationen
Der Erfolg industrieller Innovationen wird ganz erheblich von einem Faktor bestimmt: Zeit. In der Metropolregion Ruhr arbeiten im „Spitzencluster Industrielle Innovationen“ (SPIN) zahlreiche Branchen und Akteure zusammen daran, Innovationen möglichst rasch in die Praxis zu überführen. Die Innovationsplattform schafft neue Allianzen aus Industrie, Energiewirtschaft, Digitaltechnologie und anwendungsorientierter Forschung, um die Region im weltweiten Wettbewerb neuer Technologien erfolgreich zu positionieren. Der Fokus liegt auf der Entwicklung von klimafreundlichen Technologien, Verfahren und Produkten zur erfolgreichen Transformation der Industrie und unseres Energiesystems. Das Spitzencluster ist eines der ersten großen Projekte aus der Ruhr-Konferenz zur Gestaltung des Strukturwandels und wird vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Zur SPIN-WebsiteStand: März 2022