Wie wird die Energiewende tatsächlich Wirklichkeit? Wie kann die Vernetzung von Nutzern und Produzenten der unterschiedlichen Energieformen intelligent gesteuert werden? Welche Chancen für Unternehmen und neue Geschäftsmodelle entstehen? All das soll im Brainergy Park Jülich unter Realbedingungen erprobt werden.

In dem im Bau befindlichen 52 Hektar großen innovativen und interkommunalen Park der Stadt Jülich, der Gemeinde Niederzier, der Landgemeinde Titz und des Kreises Düren in Nordrhein-Westfalen wird neben einem klassischen Gewerbegebiet auch ein Kernbereich mit Simulationsfläche und Demonstrationsplattform für das lernende Energiemanagement der Zukunft angelegt.

Neue Technologien unter Alltagsbedingungen erproben

In diesem 7 Hektar großen Kernbereich, dem Brainergy Village, entsteht eine Miniatur moderner Energieversorgungsstrukturen. Nach den Prinzipien eines „Living Lab“ werden die nötigen Technologien gemeinsam von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft unter Alltagsbedingungen und in skalierbaren Größenordnungen erprobt. Dies geschieht in einem technologieoffenen System, das heißt, es geht nicht darum, einfach nur den aktuellen Stand der Technik aufzugreifen und umzusetzen, sondern über eine dynamische Plattform zu verfügen, in die immer wieder Neuentwicklungen integriert werden können.

Basis des Energiesystems sind Wasser-, Strom- und Datennetze sowie ein Niedrigtemperatur-Wärme- und Kältenetz. An dieses Netzsystem sollen alle im Brainergy Village angesiedelten Unternehmen als Prosumer angeschlossen werden – sie sind also sowohl Produzenten („producer“) als auch Konsumenten („consumer“) von Wärme- und Abwärme, von dezentral erzeugter erneuerbarer Energie aus beispielsweise Photovoltaik, Solarthermie und kleinen Windkraftanlagen. Zur Speicherung sollen Batteriespeicher und Elektrofahrzeuge eingesetzt werden. Im Ergebnis entsteht ein „Smart Grid Plus“, das als intelligentes Versorgungsnetz die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität effizient koppelt.

Gestaltungsplan für den  Brainergy Park Jülich
© fischerarchitekten Partnerschaft mbB
Gestaltungsplan für den Brainergy Park Jülich

Ergebnisse auf andere Quartiere übertragen

Ein Ziel des Vorhabens ist es, übertragbare Ergebnisse und Erkenntnisse für andere Gewerbegebiete und auch anderweitig genutzte Quartiere zu gewinnen. Dafür kooperiert die Brainergy Park Jülich GmbH mit Partnern aus Forschung und Wirtschaft.

Zu den Partnern zählen die Fachhochschule Aachen, das Forschungszentrum Jülich (FZJ), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG und die RWTH Aachen. Eine enge Zusammenarbeit gibt es auch mit weiteren Fachplanern aus der Energie- und Gebäudetechnik sowie mit Unternehmen aus dem Energieumfeld.

Erste Gebäude im Brainergy Park stehen

Die ersten Gebäude im Brainergy Park stehen bereits. Dazu zählen der futuristische Kubus der multiTESS-Halle, das strahlend weiße S-förmige Brainergy Starter-Gebäude der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) und die Containergebäude für das Helmholtz-Cluster Wasserstoffwirtschaft des FZJ. Zurzeit wird das Straßennetz des Brainergy Parks erschlossen, bevor im Herbst 2022 mit dem Bau des „Technikums“ begonnen wird.

Interessierte Akteure können das Technikum, eine rund 840 Quadratmeter große Halle, mieten und ihre wissenschaftlichen Forschungsergebnisse in die wirtschaftliche Produktion überführen. Dies wird bereits ab 2023 möglich sein.

Geschäftsmodelle in die Realität umsetzen

Auch das StartUp Village wird im Laufe des Jahres 2023 errichtet. Auf einer Fläche von mehr als 2000 Quadratmetern sollen Start-ups und Gründende die Möglichkeit erhalten, ihre Geschäftsmodelle in die Realität umzusetzen. Ein Fokus liegt dabei auf innovativen Lösungen und Ansätzen aus den Bereichen erneuerbare Energien, Digitalisierung und Bioökonomie.
In Planung sind außerdem Labor- und Bürogebäude. Neben diesen werden im Brainergy Village auch Seminar- und Weiterbildungsflächen für interdisziplinäre Aktivitäten von Hochschulen, Unternehmen und Start-ups eingerichtet. Ein offizielles großes Eröffnungsfest soll es im Jahr 2023 geben.

Brainergy Hub: Gründerzentrum für die Energiewende

Brainergy Hub
© HENN
Brainergy Hub

Das StartUp Village bietet als Ort für Gründerinnen und Gründer einen Vorgeschmack auf den Brainergy Hub, den Zentralbau und das Gründerzentrum im Park. Dieser führt alle Protagonisten rund um die Ziele und Lösungen der Energiewende zusammen. In Laboren können technische Neuerungen erprobt werden. Daneben sollen Kreativ- und Workshopflächen, Forschung und Industrie den Raum für effektiven Know-how-Transfer geben. Zusätzliche Flächen werden für Neugründungen und Start-ups aus dem Forschungsumfeld der erneuerbaren Energien bereitgestellt. Durch den modularen Aufbau bildet das Gebäude einen flexiblen Rahmen, der Anpassungsfähigkeit, Wachstum und unterschiedliche Nutzungen ermöglicht.

Energiezentrale macht die Energiewende erlebbar

Ein Schaukasten, der die Energiewende erlebbar macht: Auch diesen können Forschende, Studierende, Schülerinnen und Schüler sowie alle anderen Interessierten zukünftig im Brainergy Park Jülich finden. Die geplante Energiezentrale soll den Besucherinnen und Besuchern Einblicke in die Steuerungsprozesse des Energiesystems geben, begleitet von didaktisch aufbereiteten Informationen und interaktiven Kommunikationsmöglichkeiten.

In der Energiezentrale sollen die Steuerung und das Energiemanagement des dezentralen Netzes zusammenlaufen, hier finden das Monitoring und die Regelung aller Energieerzeuger und Energiespeicher statt. Die derzeit üblichen Fernwärmenetze sind durch hohe Vor- und Rücklauftemperaturen charakterisiert und damit auf Erzeuger ausgelegt, die Wärme auf einem hohen Temperaturniveau bereitstellen. Mit den geplanten Niedertemperaturnetzen für die Wärme- und Kälteversorgung des Brainergy Village ist dann die Einbindung jeglicher Energieerzeuger und damit auch die Nutzung der Abwärmequellen am Brainergy Park möglich.

Mit der Energiezentrale, dem Brainergy Hub und dem StartUp Village vereint der Brainergy Park also viele verschiedene wichtige Bausteine an einem Ort und hilft so dabei, die Energiewende tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen.

© Brainergy Park Jülich GmbH
Brainergy Starter vor Mehrzweckhalle multiTESS

Pioniere des Brainergy Park Jülich

In der multiTESS-Halle hat das Solar-Institut Jülich (SIJ) der Fachhochschule Aachen mit Partnern aus der Industrie den multifunktionalen thermischen Speicher multiTESS entwickelt und realisiert. Kern des neuen Konzeptes ist die Umwandlung von Strom in Wärme (Power-to-Heat) kombiniert mit einem Hochtemperatur-Wärmespeicher.
Das Brainergy Starter-Gebäude ist an die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) vermietet. Sie hat Herausforderung angenommen, sich um alle Belange zu kümmern, die mit dem Strukturwandel in dem von Braunkohle geprägten Rheinischen Revier einhergehen.
Das Helmholtz-Cluster für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft unter der Ägide des Forschungszentrums Jülich wird zukünftig ein großes Areal im Brainergy Park für sich beanspruchen. Auf mehr als 4 Hektar Fläche wird nicht nur geforscht, sondern das Wissen über Wasserstoff in die Wirtschaft transferiert. Bis zur Fertigstellung des zukünftigen Geländes hat das Institut zwei Riegel aus Bürocontainern bezogen, in denen bis zu 100 Mitarbeitende Platz finden.
Nicht zuletzt ist der Solarpark Merscher Höhe, der zu den größten in Nordrhein-Westfalen gehören wird, nahezu fertig errichtet. Dieser wird einen daneben geplanten Elektrolyseur per direkter Kabelverbindung mit grünem Strom versorgen, der damit grünen Wasserstoff produzieren kann.

Stand: Juli 2022