Nordrhein-Westfalen als starkes Innovationsland langfristig festigen: dieses Ziel verfolgt die im Oktober 2021 veröffentlichte „Regionale Innovationsstrategie für das Land Nordrhein-Westfalen“. Die von allen Landesressorts getragene Strategie benennt zentrale Innovations- und Handlungsfelder für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes. Gleichzeitig steht damit eine wichtige Grundlage für die Ausrichtung der künftigen Forschungs- und Innovationsförderung bis 2027 bereit.
Nordrhein-Westfalen gehört bereits heute zu den Top Innovationsstandorten in Europa, das Europäische Regional Innovation Scoreboard beispielsweise klassifiziert das Land seit 2021 als „Innovationsführer“. Als Heimat von 20 der 50 umsatzstärksten deutschen Unternehmen, mehr als 700.000 KMUs, 68 Universitäten und Fachhochschulen, mehr als 50 außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie zahlreichen Cluster- und Transferstellen verfügt Nordrhein-Westfalen über ein vielfältiges und lebhaftes Innovationsökosystem. Allerdings besteht in einigen Bereichen noch Raum für Verbesserungen, wie etwa der im Jahr 2020 vorgelegte „Innovationsbericht Nordrhein-Westfalen: Indikatorenbericht und Bericht zu Status und Mobilität von Humankapital in NRW“ aufzeigt. Mit der Innovationsstrategie will die Landesregierung diese Lücken schließen und dabei Innovationen fördern, Gründung und Finanzierung unterstützen sowie die Versorgung der Wirtschaft mit Fachkräften sichern.
Geprägt vom Leitgedanken der intelligenten Spezialisierung und der konsequenten Zukunftsorientierung zielt die Strategie darauf ab, einen gemeinsamen Rahmen für die vielfältigen Aktivitäten der Forschungs- und Innovationsförderung zu schaffen. Als Fortschreibung der bisherigen Innovationsstrategie 2014–2020 werden neue Themen und Trends aufgegriffen, um Lösungen für die übergreifenden Herausforderungen der Digitalisierung und der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft voranzutreiben.
Dabei wird das Innovationssystem unter einem ganzheitlichen Blickwinkel betrachtet, der alle Landesstrategien mit Bezug zu den formulierten innovationspolitischen Zielen einbezieht. Konkret werden beispielsweise die spezifischen Anforderungen und Bedarfe der EFRE-Förderung, das industriepolitische Leitbild, die Wasserstoff Roadmap oder etwa die Digital- und Energieversorgungsstrategie berücksichtigt. Die Innovationsstrategie versteht sich insofern als gemeinsames Dach, um Synergien zu schaffen und Expertise zu bündeln.
Die Auswahl der genannten Innovationsfelder basiert auf den Ergebnissen und Empfehlungen des Innovationsberichtes Nordrhein-Westfalen 2020. Unter Einbeziehung vielfältiger Quellen und Akteure wurden darin diejenigen Themenfelder herausgearbeitet, die für Nordrhein-Westfalen das größte Zukunfts- und Entwicklungspotential bergen. Der Fokus lag dabei auf einer detaillierten Untersuchung, wie gut Nordrhein-Westfalen hinsichtlich Schwerpunkten der Hochschulforschung, Patentaktivitäten der Unternehmen sowie wissenschaftlichen Publikationstätigkeiten in den jeweiligen Feldern aufgestellt ist. Vor allem in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Elektromobilität und Wasserstoff kann Nordrhein-Westfalen demnach auf bestehende Stärken aufbauen und verfügt über vielversprechende Chancen, seine Vorreiterrolle zu erweitern.
Zukunftsfelder und ihre Bedeutung für Wissenschaft und Wirtschaft in NRW
Analyse der Position Nordrhein-Westfalens in ausgewählten Zukunftsfeldern im Innovationsbericht NRW 2020 (Legende: 1 = schwache Position, 2 = mittlere Position, 3 = starke Position).
Um die vorhandenen Potentiale noch besser nutzen zu können, stellt die Strategie verschiedene Instrumente zur Optimierung des Innovationssystems in den sechs Handlungsfeldern „Innovationen fördern“, „Vernetzung intensivieren“, „Gründung und Finanzierung unterstützen“, „Die Nachfrageseite einbeziehen“, „Rechtsrahmen weiterentwickeln“ und „Fachkräfte sichern“ heraus. Im Rahmen einer Governance-Struktur, die den Austausch aller Akteure des Innovationssystems anstrebt, sowie eines umfassenden Monitorings soll die Umsetzung der Innovationsstrategie regelmäßig evaluiert werden.
Das kann die Energieforschung leisten
Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, Nordrhein-Westfalen als einen der innovativsten und klimafreundlichsten Industriestandorte weltweit zu etablieren. Voraussetzung hierfür ist eine starke Energieforschung, die das Land als führenden Technologieexporteuer in den Bereichen Energie und Klima positioniert. Die Innovationsstrategie benennt im Feld „Energie und innovatives Bauen“ konkrete Anforderungen, Chancen und Methoden, um dieses Ziel effektiv voranzutreiben. Denn neben den damit einhergehenden Herausforderungen bietet die Energiewende als Treiber für innovative Technologien und Dienstleistungen vielfältige Chancen, die wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung des Landes zu stärken.
Sektorenübergreifende Defossilisierung
Der zur Erreichung der Klimaschutzziele erforderliche Ausbau der erneuerbaren Energien muss künftig eine nachhaltige Energieversorgung über alle Sektoren hinweg sicherstellen. Die Digitalisierung nimmt bei der intelligenten Verknüpfung der verschiedenen Bereiche und der Stabilisierung des Gesamtsystems eine herausragende Rolle ein. Auch bei der Entwicklung urbaner Energielösungen sind digitale Anwendungen und Services die Grundlage einer nachhaltigen und sicheren Versorgung. Die nordrhein-westfälische Energieforschung kann hier bereits auf vielfältige und belastbare Ergebnisse blicken. In zahlreichen Forschungsprojekten werden die Methoden und Potentiale einer sektorenübergreifenden Defossilisierung bei gleichbleibender Gewährleistung der Versorgungssicherheit angewandt und untersucht.
Erschließung weiterer Energiequellen
Auf dem Weg zur Klimaneutralität sind allerdings auch weitere Energiequellen, insbesondere Wasserstoff und synthetische Energieträger, von enormer Bedeutung. Mit der Wasserstoff Roadmap und dem Handlungskonzept Synthetische Kraftstoffe hat die Landesregierung Strategien und Maßnahmen aufgezeigt, um diese Zukunftstechnologien vor Ort zu stärken. Der Auf- und Ausbau einer zukunftsweisenden Wasserstoffwirtschaft sowie die Etablierung alternativer Antriebstechnologien im Mobilitätsbereich werden ebenfalls in der Innovationsstrategie als vielversprechende Handlungsfelder erkannt. Die nordrhein-westfälische Energieforschung ist in diesen Bereichen bereits sehr gut aufgestellt und kann beispielsweise mit dem Helmholtz-Clusters für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft (HC-H2) oder dem Fuel Science Center auf herausragende Institutionen von internationaler Bedeutung blicken. Im Mobilitätsbereich wird zudem die weitere Stärkung der Batterieforschung auf internationalem Spitzenniveau, wie sie insbesondere am internationalen Forschungs-Hot-Spot in Münster zu finden ist, als strategisches Ziel aufgeführt.
Im Gebäudebereich weist die Innovationsstrategie vor allem die Kraft-Wärme-Kopplung als zentrales Themenfeld aus. Aufgabe der Energieforschung ist es, die systematische und strategische Ausgestaltung der Wärmewende voranzubringen. Die Modernisierung und der Ausbau von Wärme- und Kältenetze sowie die verstärkte Nutzung von Abwärmepotenzialen werden in diesem Kontext als vielversprechende Lösungsoptionen für die weitere Defossilisierung des Wärmesektors erkannt.
Nachhaltige Kreislaufwirtschaft und cross-industrielle Zusammenarbeit
Auch bei der Zielsetzung, Nordrhein-Westfalen als führenden Standort für Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimaneutralität zu stärken, kommt der Energieforschung eine tragende Rolle zu. Das betrifft insbesondere die nachhaltige Nutzung von Kohlenstoff aus recycelten Materialien und CO₂, was die Grundlage für die Etablierung einer kreislauforientierten Low Carbon Economy darstellt. Im Rahmen der Carbon Management Strategie werden erforderliche Pfade und Ansätze vorgestellt, die den Weg zum klimaneutralen Wirtschafts- und Industriestandort ebnen. Mit der Initiative IN4climate.NRW wurde in Nordrhein-Westfalen zudem eine Arbeitsplattform von Industrie, Wissenschaft und Politik geschaffen, um Lösungen für eine wettbewerbsfähige und treibhausgasneutrale Industrie zu entwickeln. In verschiedenen Forschungs- und Anwendungsprojekte wird die Transformation der Branche in Richtung Klimaneutralität bereits erfolgreich erforscht und vorangebracht.
Strukturwandelregionen als Best-Practice-Beispiele
Die Transformationsprozesse im Rheinischen Revier und in der Metropole Ruhr sieht die Innovationsstrategie hierbei als Labor und Vorbild für die übrigen Landesteile an. Ziel ist es, die entwickelten Standards schrittweise auf alle Regionen zu übertragen und damit noch attraktivere Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen in ganz Nordrhein-Westfalen zu schaffen.